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PRESSESTIMMEN HAMLET 2004
Thomas Kramar, Die Presse, 05.07.2004
Rosenburg:
Dieser Prinz ist nicht neurotisch
Ein zielstrebig und geradlinig ablaufender "Hamlet" im Turnierhof.
Er spuckt ihr auf die Hand, setzt sich auf sie, sie streicht ihm übers Haar, während er sagt: "Hier ist Eu'r Gatte", dann umarmen sie einander wild, Hamlet und seine Mutter. Sie möge zur Nacht enthaltsam sein, befiehlt er ihr, wünscht ihr gute Nacht, legt sich zu ihr.
"Sie gehen nach verschiedenen Seiten ab", heißt es dagegen in der Regieanweisung am Ende des dritten Aktes. Es hat Tradition, sie nicht einzuhalten: Theatermacher folgen damit der Deutung Freuds, dem Hamlet als verhinderter Ödipus erschien, der den Vater nicht rächen kann, weil er ihn unbewusst selbst ermorden wollte. Darum wirke er wie gelähmt, "von des Gedankens Blässe angekränkelt".
Auch Birgit Doll und Alexander Waechter, die den "Hamlet" auf der Rosenburg inszenieren, sind von dieser psychoanalytischen Sicht beeinflusst, deuten sie aber nur selten an. Ihr Hamlet, Rafael Schuchter, wirkt nicht abgründig neurotisch, sondern nur jung, unsicher und verstört. Und, einmal ehrlich, wer wäre nicht verstört, wenn er erführe, dass sein Onkel seinen Vater ermordet hat? Der Wahnsinn, den er dann mimt, hat ohnehin Methode: Schuchter wirkt im Verlauf des Abends immer konsequenter, getriebener; weil er den Dänenprinzen eben nicht mit Gewalt hintergründig gibt, glücken ihm sogar die einschlägigen Monologe ohne Peinlichkeit. Den Preis des Menschen spricht er auf einer Strickleiter. Am Ende sticht er den Onkel fast schon lässig ab.
So läuft die Tragödie im Turnierhof geradlinig und zielstrebig ab, gedrängt durch den rundum in den Arkaden spukenden - und zu diesem Behufe in schlichtes Schwarz gewandeten - Geist des Vaters. Selten wird ein Shakespeare so geschickt und untendenziös gekürzt (auf zirka zweieinhalb Stunden): Dass es gleich mit "Ach, schmölze doch" beginnt, weckt Vertrauen (und kommt dem Theater-Wunsch, gleich den Protagonisten zu sehen, nach); dass es mit Horatios "Gute Nacht, mein Prinz" endet, bringt Symmetrie und erspart das politische Nachspiel.
Leider nicht konsequent durchgeführt wurde die Idee, die Personen - mit der Ausnahme Hamlets - jeweils in ein einfärbiges Gewand zu stecken. Vielleicht wollte man den Schauspielern dann doch mehr individuelle Rollengestaltung zuerkennen?
Claudius trägt jedenfalls lila, und das passt: Die Macht und ihre hohle Würde wird überzeugend verkörpert von Bernhard Majcen, Meister des aufrechten Ganges, der seinen König dann auch glaubhaft zerknirscht zerbrechen lässt. Birgit Doll ist eine verhärmte Königin, aus der man nicht schlau wird, Julia Schranz eine unschuldige Ophelia, deren Wahnsinn geradezu liebreizend wirkt. Nikolaus Kinsky als ihr Vater Polonius geht ziemlich grob mit ihr um. Güldenstern (Matthias Mamedof) und Rosenkranz (Matthias Kofler) sind liebe, spaßige Buben, die Schauspieler im Schauspiel ausreichend theatralisch. Eine gute Idee auch, bei der Königsmord-Pantomime die Regieanweisungen ("Die Königin findet den König tot und macht leidenschaftliche Gebärden" etc.) zu verlesen, das verstärkt das Automatische, Archaische, Archetypische, das das Drama drumherum längst für uns hat. Ob man Freud drin findet oder nicht.
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