"Ein Intendant als Intrigant: Alexander Waechter schlüpft heuer in die Rolle des Jago, der Feldherr Othello zu Fall bringt. Denn Jago jubelt dem von Othello geschassten Leutnant Cassio (Emanuel Fellmer) ein Taschentuch unter, das Othello einst seiner Frau Desdemona geschenkt hat. Und so nimmt die Tragödie ihren Lauf.
Zwischendurch blitzt aber selbst in dieser düsteren Shakespeare-Tragödie manchmal der Schalk auf. Wenn auch ein recht derber: "Würde die Erde sich von Weibertränen schwängern, aus jedem Tropfen wüchse ein Krokodil." Es sind Sätze wie dieser, die die textliche Umsetzung der Shakespeare-Inszenierungen auf der Rosenburg, die nah am Original liegt, ausmachen. Ebenso wie die Kostüme, die zwar heutig, aber trotzdem sehr passend sind.
Ganz großes Drama
Der Intrigant Jago ist mit Waechter ideal besetzt. Wie er mit einem einzigen Taschentuch Othellos Welt aus den Fugen reißt und ihn (und letztlich auch sich selbst) ins Verderben stürzt, geschieht mit einer faszinierend seriösen Souveränität. Dabei hat er zwischendurch einen Gesichtsausdruck, als würde er selbst nicht ganz glauben können, was er da gerade zuwege bringt. Oder ist Waechters Jago nur ein guter Schauspieler? Waechter selbst ist es jedenfalls. Seine Fassade gerät erst ins Bröckeln, als ihm seine Frau Emilia (Cheryl Shepard) in den Rücken fällt.
Da ist aber Othello (Nikolaus Okonkwo) schon dem Wahnsinn verfallen. An ihm exerziert Shakespeare das Exempel eines Mannes, der eigentlich von Herzen gut und redlich ist, dem jede Eifersucht fremd ist - und dessen Wesen sich grundlegend verwandelt, sobald die Saat der Intrige in seinem Herzen ausgebracht ist. Wie Okonkwo als Othello scheinbar selbst nicht fassen kann, dass ihn die Eifersucht rasend macht, wie er allmählich immer tiefer dem Wahnsinn verfällt, und wie seine verstörte Frau Desdemona (Marie-Christine Friedrich) nicht weiß, wie ihr geschieht, das ist ganz großes Drama."
(Wiener Zeitung, 22.07.2011)
"Kalt und heiß rast der Zorn Shakespeares Figuren durch die Adern, und jede Hoffnung ist vergebens: Die Intrige des Jago stürzt sie alle ins Verderben. Seit Freitag ist Othello in der Regie von Sylvie Rohrer auf der Rosenburg zu sehen. Ein außergewöhnlich schönes Theatererlebnis bietet die Arenabühne. Die Vermeidung einer frontalen Bespielung verleiht Othello große Lebendigkeit. Selbst die Tatsache, dass jeder das Geschehen manchmal nur in Rückenansicht beobachten kann, schmälert den Reiz kaum. Ebenso kommt jeder mehrmals in die Lage, am Bühnenrand gespielte Szenen aus der Nähe zu erleben.
Ein großartiges Ensemble in Marineuniformen und fließenden Kleidern (Kostüme: Angelika Klose) leiht Shakespeares Figuren eindringliche und berührende Stimmen und Gesten. In den Hauptrollen glänzen Nikolaus Okonkwo als Othello und Alexander Waechter als Jago. Ersterer spielt intensiv mit wechselnden Stimmlagen und starkem physischem Ausdruck: von Liebe beseelt zuerst, bevor das Gift der Lügen ihn immer mehr bricht. Der skrupellose Jago wird von Intendant Waechter mit unterkühlter Bedächtigkeit und zurückgenommener Gestik überzeugend dämonisch angelegt.
Marie-Christine Friedrich gibt die zerbrechliche und kindliche Desdemona, Cheryl Shepard die lange zu sorglose Emilia. Emanuel Fellmer spielt den kaum über den Tellerrand blickenden hübschen Cassio, Zwischenapplaus erntete Claudia Kottal als verführerische Bianca. Daniel Feik macht als Rodrigo das Beste aus seiner Nebenrolle. Die Bühne (Gudrun Lenk-Wane), ein gekipptes Vieleck aus rotem Holz, bietet dem Geschehen ausreichend Raum."
(DER STANDARD, 12. Juli 2011)
"Die Shakespeare-Festspiele auf der Rosenburg wagen sich an die diabolischste aller klassischen Tragödien. Mit durchaus achtbarem Ergebnis. Das Ensemble kann viele Facetten des nuancenreichen Textes ausleben. (...) Geradezu wohltuend hebt sich die „Othello“-Inszenierung bei den heurigen Shakespeare-Festspielen auf der Waldviertler Rosenburg ab. Ohne Schnörkel und fast ohne Requisiten wird der – intelligent auf zweieinhalb Stunden gekürzte – Text auf einer schlichten, roten, schiefen Rundbühne zelebriert. In der Regie von Burgschauspielerin Sylvie Rohrer kann das ambitionierte Ensemble viele Facetten des nuancenreichen Textes ausleben – „Schauspielertheater“ im besten Wortsinn."
(DIE PRESSE, 12. Juli 2011)
"Burgstar Sylvie Rohrer debütierte als Regisseurin: Fabelhaft in der Personenführung! Alexander Waechter ist der Nihilist und Menschenzerstörer Jago. Eine Meisterleistung an Verstellung und Gemeinheit. (...) Daneben überzeugen Marie-Christine Friedrich als zarte, liebende Desdemona, Cheryl Shepard als jugendliche, erotische Emilia, Emanuel Fellmer als Cassio, Claudia Kottal als seine freizügige Geliebte Bianca. Angelika Klose entwarf die weißen Seeoffizieruniformen, Mel Stein leitete die komplizierte Kampfchoreographie. Große Begeisterung."
(Neue Kronenzeitung, 10. Juli 2011)
"Kulissen braucht es keine, das Böse. Da reicht eine schmucke, weiße Uniform. Ein kluger, kranker Kopf. Und ein rabenschwarzes Herz. Wie bei Shakespeares Jago. Der spielt heuer im zauberhaften Zirkuszelt auf der Rosenburg mit wackeren Feldherrn, treuen Gattinnen, verliebten Edelmännern und ehrgeizigen Leutnants wie mit Schachfiguren. Und das so pur, so packend und so perfid, dass einen das Grauen gar nicht mehr loslässt. Schillernd die Sprache, packend die Regie (Sylvie Rohrer), reduziert die Bühne (Gudrun Lenk-Wane). Und: grandios das Ensemble, allen voran Alexander Waechter als diabolischer Jago, Nikolaus Okonkwo als rasender Othello, Marie-Christine Friedrich als Desdemona und Daniel Feik als Rodrigo.
Fazit: Wenn der Teufel Schach spielt – grausam gut! " -MF-
(NÖN Niederösterreichische Nachrichten, 11. Juli 2011)
"Der Intendant als Intrigant
Liebe, Aggression, Blut - diese Assoziationen ruft die rote Schräge hervor, die heuer schlicht die Zentralbühne der Rosenburg einnimmt (Bühnenbild Gudrun Lenk-Wane). Wie eine große Wunde liegt sie da und bildet den stimmigen Untergrund für Shakespeares Drama "Othello" mit seinen zahllosen seelischen Verwundungen.
Den Drahtzieher Jago, der Othellos Eifersucht bis zum Mord aufstachelt, hat sich Intendant Alexander Waechter selbst reserviert. Nun ist er kein martialisch-agiler Typ, also sucht (und findet) er einen anderen Zugang: über nuancierte Sprache, die freilich die Zotenhaftigkeit des Originals ausblendet, schafft er eine Inkarnation der Banalität des Bösen und lässt Jagos Kalkül wie einen Businessplan ablaufen. Und der wirkt …
Othello ohne Klischees
Nikolaus Okonkwos Othello ist wohltuend dezent - kein Augenrollen, kein Zähnefletschen, keine Klischees, dafür ein Mensch, der allmählich die Kontrolle verliert. Daneben wirkt Marie-Christine Friedrichs Desdemona zart und zerbrechlich, kann aber auch gehörige Energie entfalten. Regisseurin Sylvie Rohrer baut die Beziehungen ihrer Protagonisten exakt auf, doch sind die Spannungsbögen über die Distanzen der Arenabühne nicht immer leicht zu halten. Cheryl Shepard als Emilia und Claudia Kottal als laszive Bianca steuern treffende Frauen-Miniaturen bei, die weiteren Herren agieren typgerecht. Ein Abend mit Qualität!"
(KURIER, 10. Juli 2011)